Filmfehler treten immer wieder auf. Vor ihnen ist keiner gefeit. Bei den Schmalfilmkameras hatte man mit Bandsalat zu kämpfen, bei den heutigen Geräten kann die SDCard oder integrierte Festplatte Aussetzer ha-ben. Daneben stören bspw. fettfingerverschmierte Objektive die Aufnahmen, feiner Sand vom Strand in der Mechanik.
Im Gegensatz zu Sucherkameras, sehen Sie heute bereits die Einstellungen auf dem Display und können ge-gensteuern. teilweise verdeckte Kameraobjektive, Kontrastfehler, Unschärfen – das sollte der Vergangenheit angehören. Dennoch kommt es zu Unter- und Überbelichtungen, die man mit dem elektronischen Schnittpro-gramm zu retuschieren versuchen kann, Unschärfen leider gar nicht und schiefe Aufnahmen, weil die Kamera verkantet wurde kann man croppen.
Aus künstlerischer Sicht sind aber die ungeliebten Anschlussfehler genauso frustrierend. Allen gemeinsam ist, dass die Aufnahmen nicht mehr zu gebrauchen sind. Schneiden Sie sie radikal weg und lernen Sie daraus.
 

Achsensprung

ist der bekannteste und auch am meisten praktizierteste Fehler. Oftmals fällt er bei einem hohen Tempo der Handlung nicht auf. Aber wenn, dann ärgert man sich gewaltig, weil damit die Szene völlig verkorkst ist.
Gefilmt wird wie im Theatersaal immer aus gleicher Richtung aus der Sicht des Zuschauers. Der Darsteller läuft also bspw. von rechts nach links durch das Bild. Sie als Kameramann filmen den Ausschnitt aus Ihrem viel größeren Umfeld heraus, als ihn der Zuschauer erkennen kann.
Bleiben wir beim Beispiel, dass Frank von links nach rechts zu Petra läuft. Sie laufen an der Straßenseite neben Frank her und nehmen ihn im Profil auf. Hinter ihm (also links) ist eine schöne Häuserfront. Die Häuserfront weicht einer hässlichen Bushaltestelle, die sie nicht auf dem Film haben möchten. Also wechseln Sie zur rechten Seite neben Frank und filmen ihn da weiter, haben jetzt sogar den schöneren Stadtpark im Hintergrund. Beim Schnitt werden Sie erschrocken feststellen, dass Frank von links nach rechts läuft und nach dem Einstellungswechsel plötzlich zurückzulaufen scheint. Hier hat der Achsensprung zugeschlagen.
Sie dürfen in als Kameramann die 180°-Achse des Geschehens nicht überschreiten. Die Personen müssen auf zwei aneinander geschnittenen Bildern auf der gleichen Seite bleiben, die Richtung in der Szene muss beibehalten werden. Beim Schnitt würden plötzlich andere Anordnungen und Blickrichtungen der Akteure die Denkstruktur der Zuschauer verwirren und ihn desorientieren. Bspw. wird ein Fußballspiel immer nur von einer Seite gefilmt. Ansonsten könnte man nicht mehr verstehen, wieso der Spieler erst von links nach rechts, etwas später in der gleichen Halbzeit aber von rechts nach links läuft.
Um beim Beispiel Frank zu bleiben, könnten Sie entweder mit der laufenden Kamera um ihn herum zum schöneren Hintergrundmotiv laufen oder Sie führen eine dritte Person in die Handlung ein. Nachdem Sie die dritte Person in Nah gefilmt haben, ist es für den Zuschauer dann nicht mehr relevant, dass Frank nun anscheinend in die Gegenrichtung läuft. In der Nachbearbeitung am PC könnten Sie die Szene auch elektronisch spiegeln.
 

Achssprung - Szene 1

Achssprung - Szene 2

Hier schaut der Akteur nach links                       Und plötzlich nach rechts, das verwirrt.

Aufgelöst werden kann dieser Achsensprung, wenn man mit der Kamera von Einstellung 1 zur Einstellung 2 um den Tisch herumfährt und die folgenden Szenen ab Einstellung 2 fortführt. Damit wird dem Zuschauer die geänderte Blick- und Handlungsrichtung erklärt.


Ich finde die Industriefilme in der „Sendung mit der Maus“ nicht nur für die kleinen Zuschauer sehr lehrreich. Beachten Sie hier einmal die Handlungsachse. Bspw. wurde in einer Sendung der Weg eines Päckchens bis zum Empfänger nachvollzogen. Auf den Paket-Beförderungsbändern der Post-Verteilzentren rasen die Päckchen von links oben nach rechts unten durch die Szene. Hätte der Kameramann zwischendurch seinen Standort auf die andere Seite des Laufbandes verlegt, würde es den Eindruck erwecken, die Pakete werden zurückgeschickt.

Kontinuitätsfehler

Alles Halbnahe: Petra sitzt im Sessel, nippt vom halbvollen Weinglas und stellt es auf den Tisch ab, Frank auf der Couch senkt die Zeitung und schaut zu seiner Frau, weil sie ihm etwas sagen möchte, Petra spricht zu ihm. Das auf dem Tisch abgestellte Weinglas ist jetzt plötzlich voll.
Daran sieht man, dass die Szene in mehreren Einstellungen gedreht worden sein muss, weil zwischendurch Petra paar Mal vom Glas genippt hatte, was dann wieder aufgefüllt wurde, weil es leer war. Oder es ist an der Wanduhr mittags, in der nächsten Szene zeigt sie früh um 8 oder abends um 6 an. Die Zigarette ist von einem Schnitt zum nächsten um die Hälfte aufgeraucht worden, die Zeitung liegt plötzlich verkehrt herum auf dem Tisch. Frank sitzt auf der Couch und schaut zur Tür und nicht zu Petra. Petra liegt auf der Couch und Frank steht neben dem Sessel. Und am schlimmsten: innerhalb eines Schnitts hat Petra eine andere Bluse oder und die Armbanduhr fehlt… Solche Gefahren lauern immer, wenn zwischen zwei Einstellungen aus den verschiedensten gründen nicht kontinuierlich weitergefilmt werden konnte.
Wenn man sie bewusst bemerkt, sind solche Continuity-Fehler nur durch Neuaufnahme oder Wegschneiden zu beheben. Man kann als Heimfilmer in gewissem Maße vorbeugen, aber wir haben den Kopf mit 1000 Gedanken voll, während beim professionellen Film der Standbildfotograf und das Continue-Girl über solche Angelegenheiten wachen. Da die heutigen Camcorder alle über eine Foto-Funktion verfügen, empfiehlt es sich, bei jedem Szenenabschluss ein Bild mit der letzten Einstellung zu schießen. Gerade, wenn Sie wissen, dass Sie erst später zum Weiterfilmen kommen werden. Sie können natürlich genauso gut nach dem Einspielen über Ihr Schnittprogramm diese letzte Szene als Standfoto in JPG ausgeben und es farbig ausgedruckt zum Fortsetzungsdreh mitbringen.

Ransprünge

Totale - Petra geht aus der Stube, Frank sitzt wieder im Sessel und liest in der Zeitung. Halbnah - Frank lesend. Nah - Franks Augenbewegung. Diese Vorgabe können Sie als Plansequenz bspw. von der Tür heranzoomend oder eleganter mit einem Kamerawagen filmen. Solch eine Fahrtaufnahme kann natürlich auch zu behäbig rüberkommen. Sie gehen also immer näher an Frank heran und erfassen das Objekt in mehreren Einstellungen. In der Nachbearbeitung erschrecken Sie, weil Ihnen Franks Gesicht immer mehr entgegenspringt.
Ransprünge passieren durch die Missachtung der sog. 30°-Regel. Um einen Bildsprung zu vermeiden, sollte jede Szene innerhalb einer Sequenz von der vorangegangenen um ca. 30° abweichen. Verändern Sie also mit jedem Schuss Kamerawinkel und Position zum Filmobjekt. Aber passen Sie auf, dass Sie dabei die 180°-Regel des Achsensprungs nicht verletzen. Springen Sie dabei logisch und nicht wild durcheinander ans Objekt heran.

Blenden-Sprünge

Sie filmen einen im Sonnenlicht brillierenden herbstlich gefärbten Laubbaum auf der anderen Straßenseite. Dummerweise kommt ausgerechnet jetzt ein Radfahrer kurz vor Ihrem Objektiv durchs Bild gefahren. Die Automatik regelt die Blende herab, um das neue Objekt richtig zu belichten. Hier hilft nur, mit manueller Belichtung, also fest eingestellter Blende, die Szene zu drehen.

Unschärfe-Sprünge

Um Blendensprünge zu vermeiden, haben Sie die manuelle Belichtung am Camcorder eingestellt und filmen jetzt beruhigt den im Sonnenlicht brillierenden herbstlich gefärbten Laubbaum auf der anderen Straßenseite. Dummerweise kommt ausgerechnet jetzt wieder ein Radfahrer kurz vor Ihrem Objektiv durchs Bild gefahren, und die Automatik pumpt und pumpt und stellt sich quer. Sie weiß nicht, ob der Radfahrer oder der Baum scharf abgebildet werden soll. Hier hilft nur, auch noch den Autofocus abzustellen und mit fester Brennweite zu filmen.

Orts- und Ereignis-Sprünge

Match-Cuts sind die Sprünge der Orte zwischen zwei Szenen. Beispielsweise das Abfahren mit dem Auto als eine Szene, an die sich als zweite Szene das Aussteigen aus dem Auto an einem anderen Ort anschließt. Damit werden unnötige Filmlängen reduziert, denn der Zuschauer weiß ja, dass es sich um eine Autofahrt gehandelt haben wird. Zumindest solange der Darsteller mit den gleichen Sachen aus dem (gleichen) Auto aussteigt in denen er eingestiegen war. Ansonsten wäre das ein eklatanter Filmfehler oder dramaturgisch so gewollt.
Ein Beispiel für einen gewollten Match-Cut ist im sowjetischen Märchenfilm „Das Märchen von der verlorenen Zeit“ der Eintritt in den Zauberwald durch einen alten knorrigen Baumstamm.
Ein sehr bekannter (ich finde aber nicht besonders toll gemachter) match cut ist auch in „2001 A Space Odyssey“ zu sehen. Hier wirft in Urzeiten ein Menschenaffe einen Knochen in den Himmel, der dann im Jahr 2001 als Raumschiff weitergeführt wird.
Petra steht vor dem Kleiderschrank und weiß nicht, welches Kleid sie für den abendlichen Restaurant-Besuch anziehen soll. Mit dem Stopp-Trick filmen wir Petra jeweils an der gleichen Position vor dem Kleiderschrank mit einem jeweils anderen Outfit. Diese Schnitttechnik wird auch als Jump-Cut bezeichnet. Beim Beispiel des an den zeitungslesenden Frank hatte ich auf die 30°-Regel hingewiesen. Würden jetzt die Schnitte so gesetzt, dass es absichtlich als ein Heranspringen an dessen Gesicht zu erkennen sein soll, wäre das ebenfalls ein gewollter Ransprung/Jump-Cut. Hierbei sollte dazu noch eine entsprechende musikalische Untermalung entweder Erschrecken oder Slapstick vermitteln.

AchssprungKontinuitätsfehlerRansprüngeBlenden-SprüngeUnschärfe-SprüngeJump/Match-Cuts

AchssprungKontinuitätsfehlerRansprüngeBlenden-SprüngeUnschärfe-SprüngeJump/Match-Cuts